Das Brummen von Nortorf
Kurze Antwort vorweg: Ja – ein tieffrequenter Ton geistert durch die 7000-Einwohner-Stadt. Nein – er „terrorisiert“ nicht das ganze Dorf, und bislang zeigt keine Messung, dass der Pegel überhaupt verboten ist.
Aber warum schwören Dutzende Menschen, sie würden davon krank? Und wieso hat eine Anwohnerin 1 000 € Kopfgeld auf die Quelle ausgesetzt? Tauchen Sie ein in ein Geräusch, das lauter diskutiert wird, als es tatsächlich klingt.
1. Der lauteste Fakt zuerst
Über 50 Nortorfer hören seit Sommer 2024 ein tiefes Brummen – ähnlich einem langsam fahrenden Lkw, der nie wegfährt.
• Behördenmessungen bestätigen: Das Geräusch existiert, liegt aber unter den gesetzlichen Grenzwerten.
• Wer es hört, klagt über Kopfschmerzen, Übelkeit, Schlaflosigkeit – wissenschaftlich belegt ist dieser Zusammenhang nicht.
RTL Nord, 15.07.2025 | Nau.ch, 11.07.2025
2. Story eines ungeplanten Kopfgelds
Melanie Libbe, 45, Buchhalterin, sitzt seit Monaten mit Ohrstöpseln am Abendbrottisch. Als das Summen ihr erneut den Schlaf raubt, schreibt sie einen Post in der Dorffacebook-Gruppe: „Ich zahle 1000 €, wenn mir jemand den Verursacher nennt!“
Am nächsten Morgen hat sie 60 Antworten – vom Verdacht auf eine Biogasanlage bis hin zu UFO-Theorien. Das Kopfgeld ist echt. Die Lösung nicht.
3. Was der BILD-Artikel auslässt (oder lauter macht)
Thema | Fakt laut BILD | Wie es wirklich ist |
---|---|---|
Ausmaß | „Ein Brummen terrorisiert die Menschen hier“ | Betroffen gemeldet: rund 50–80 Personen (<1 % der Bevölkerung). |
Gesundheit | „macht die Nachbarschaft krank“ | Beschwerden sind selbst berichtet; keine Studie beweist Ursache–Wirkung. |
Behörden | Eindruck: Es passiert nichts. | Landesamt für Umwelt misst seit Juli 2025, prüft Industrieanlagen – bisher ohne Ergebnis, aber aktiv. |
4. Die Spurensuche: Vom Wohnzimmer bis zum Windpark
- Haustechnik – Heizungspumpen erzeugen tiefe Töne. Zwei Betroffene stellten ihre Pumpen probeweise ab: Der Brummton blieb.
- Industriegebiet Süd – Messwagen registrierte Lasterverkehr, jedoch bei 100 Hz, deutlich höher als der gehörte 35-40 Hz-Ton.
- Windkraft – Rotorblätter können Infraschall produzieren, liegen aber 5 km entfernt. Behörden halten einen direkten Zusammenhang für „unwahrscheinlich“.
Ergebnis: Noch kein Verursacher gefunden.
5. Wissenschaftlicher Kontext – Warum manche hören, andere nicht
• Nur etwa 2 % der Menschen nehmen tieffrequente Dauergeräusche wahr (Stichwort „Brummton-Phänomen“).
• Der Effekt erinnert an einen Kühlschrank, den man erst bemerkt, wenn er aufhört zu laufen. Wer ihn einmal wahrnimmt, kann sich regelrecht „hineinsteigern“.
• Schlafentzug und Stress verschärfen die Wahrnehmung – ein akustisches Teufelskreis-Szenario.
Quelle: Wikipedia – Brummton-Phänomen
6. Offene Fragen & nächste Schritte
Was wir wissen:
- Das Brummen ist real, aber leise (offiziell legal).
- Betroffene leiden, auch wenn der Auslöser noch nebulös ist.
- Behörden messen weiter, Melanie Libbe hält ihr Kopfgeld aufrecht.
Was wir (noch) nicht wissen:
- Die Quelle des Tons.
- Ob eine einzelne Anlage oder ein Mix mehrerer Geräusche dahintersteckt.
- Ob medizinische Studien die Beschwerden bestätigen oder widerlegen.
7. Fazit – Ein Geräusch, zwei Wahrheiten
• Objektiv: Ein leiser, tiefer Ton unterhalb der Grenzwerte.
• Subjektiv: Für einige Nortorfer ein Dauer-Albtraum.
Bis die Quelle gefunden ist, wird Nortorf weiter brummen – und die Diskussion darüber vermutlich lauter bleiben als das Geräusch selbst.
Wer den tonangebenden Hinweis liefert, kassiert 1 000 €. Doch für die Betroffenen wäre die wahre Belohnung: endlich eine Nacht in echter Stille.