Geschlechtertrennung auf dem Campus – Fakt oder Panik?
Kurze Antwort vorab: Ja, es gab nachweislich mehrere Veranstaltungen an deutschen Universitäten, bei denen Männer und Frauen getrennt saßen oder sogar unterschiedliche Eingänge nutzen sollten. Aber: Nicht jeder im Umlauf befindliche Vorwurf ist wasserdicht belegt, und an manchen Stellen wurde die Lage dramatischer geschildert, als die Dokumente hergeben.
Lesen Sie weiter, um zu erfahren, wo harte Fakten vorliegen, wo nur ein einzelner Blog als Quelle dient – und was die Universitäten selbst dazu sagen.
1. Die größte Überraschung aus dem Faktencheck
Die laut Originalartikel „verbannte“ Gruppe MedIslam Collective an der Berliner Charité ist gar nicht komplett verbannt.
Die Klinik hat „nur“ ein Raumverbot verhängt, bis die eigene Untersuchung abgeschlossen ist – kein pauschales Betretungsverbot. Der Unterschied klingt klein, entscheidet aber darüber, ob sich Studierende überhaupt noch im Gebäude aufhalten dürfen oder lediglich keine Hörsäle buchen können.
Quelle: offizielle Charité-Mitteilung via Berliner Zeitung, Welt, FR (Links siehe Abschnitt „Quellen“).
2. Was wirklich an deutschen Hochschulen passierte
A. Fälle, die mehrfach belegt sind
Universität | Was geschah? | Beweislage | Reaktion der Uni |
---|---|---|---|
Charité Berlin | Instagram-Videos zeigen getrennte Sitzreihen; salafistisch eingeordnete Redner*innen. | Drei große Medien + Uni-Statement | Raumverbot bis Prüfende fertig |
CAU Kiel | „Islamwoche“ mit getrennten Zugängen, Prediger Sertac Odabas. | n-tv, Kieler Nachrichten, Mopo, Uni-Statement | Aberkennung des Gruppenstatus, IT-Sperre |
Uni Siegen | Schild „Eingang Damen“ bei Vortrag „Islamische Persönlichkeitsbildung“. | Video der Gruppe + offizielle Mitteilung | Künftige Events nur ohne Trennung |
Fazit: Hier sind die Vorwürfe solide belegt. Die Universitäten haben reagiert und Regeln verschärft.
B. Fälle mit nur einer einzigen (Blog-)Quelle
- FURSA (FU Berlin) – Instagram-Videos existieren, sonst keine unabhängige Bestätigung.
- Union muslimischer Studierender (TU Braunschweig) – ausschließlich Apollo News.
- MST Tübingen – ebenfalls nur Apollo News.
Was das heißt: Die Vorfälle können wahr sein, sind aber bislang journalistisch nicht doppelt geprüft. Wer hier Alarm schlägt, sollte nachliefern – oder zumindest darauf hinweisen, dass noch Fragen offen sind.
3. Wo das Original überzieht – und wo es stimmt
Überdehnung:
- „Sämtliche Aktivitäten“ an der Charité seien untersagt – falsch, es geht nur um Raumnutzung.
- Historiker-Zitat „Wo soll das enden…?“ ist außerhalb von BILD nicht auffindbar. Möglicherweise exklusiv, möglicherweise nie gesagt.
Treffer:
- Zitat des Virologen Jonas Schmidt-Chanasit („Universität ist kein Ort religiöser Parallelgesellschaften“) steht wortgleich in der Welt.
- Kieler Fall, Siegener Fall: Darstellung im Original weitgehend korrekt.
4. Freiwillige Trennung oder Zwang?
Alle betroffenen Gruppen betonen, die Trennung sei „freiwillig“ gewesen. Belegen lässt sich das weder eindeutig beweisen noch widerlegen:
- Videos zeigen getrennte Reihen, aber keine Ordner*innen, die aktiv mischen oder trennen.
- Teilnehmende, die sich gezielt äußern könnten, fehlen bislang in der Berichterstattung.
Kurz: Hier liegt eine Grauzone, die Journalismus und Universitäts-Ombudsleute noch füllen müssen.
5. Warum Universitäten nervös reagieren
- Antidiskriminierungsrecht: Öffentliche Hochschulen müssen gleichberechtigten Zugang gewährleisten.
- Extremismus-Prävention: Salafistisch eingestufte Redner*innen machen Verfassungsschützer hellhörig.
- Öffentlicher Druck: Social-Media-Clips verbreiten sich schneller, als eine Unileitung prüfen kann.
Dass Kiel, Siegen und die Charité sofort Maßnahmen ergriffen, erklärt sich also nicht nur aus Prinzipien, sondern auch aus handfestem Reputationsmanagement.
6. Was wir noch nicht wissen
- Waren bei allen Veranstaltungen muslimische Studierende die Organisator*innen, oder mischten externe Vereine mit?
- Wie viele Teilnehmer*innen verließen Räume, weil sie sich unwohl fühlten?
- Gibt es ähnliche Konflikte in christlichen oder jüdischen Hochschulgruppen – und werden sie ähnlich hart sanktioniert?
Diese Fragen bleiben offen und verdienen weitere Recherche.
7. Unser journalistischer Weg
- Originalartikel gelesen → 6 Einzelvorwürfe notiert.
- Für jeden Vorwurf mindestens zwei unabhängige Quellen gesucht.
- Trefferquote: 3 von 6 Fällen mehrfach belegt, 3 von 6 nur einfach belegt.
- Aussagen der Unis in Pressemitteilungen gegengecheckt.
- Widersprüche notiert, insbesondere bei Totalverbot vs. Raumverbot.
Transparenz: Alle Links am Ende des Textes, lesbar ohne Paywall soweit möglich.
8. Was bedeutet das für Studierende?
- Für religiöse Gruppen: Klare Kommunikation mit der Uni, Transparenz bei Raumregeln.
- Für Hochschulen: Einheitliche Richtlinien gegen Diskriminierung, egal ob aus religiösen, politischen oder anderen Gründen.
- Für den Rest von uns: Genau hinschauen – Skandalisierung hilft nicht, aber Wegschauen eben auch nicht.
Quellen (Auswahl, zuletzt abgerufen 22. Juli 2025)
- Charité: Berliner Zeitung – https://www.berliner-zeitung.de/…
- Kiel: n-tv – https://www.n-tv.de/politik/…
- Siegen: Universität Siegen – https://www.uni-siegen.de/news/…
- Welt-Kommentar Jonas Schmidt-Chanasit – https://www.welt.de/debatte/…
- Apollo News (einzige Quelle für Braunschweig/Tübingen/FURSA) – https://apollo-news.net/…
Bottom Line:
Geschlechtertrennung hat in einigen Hörsälen tatsächlich stattgefunden, und die zuständigen Unis haben – teils spät – reagiert. Doch wer von einer flächendeckenden „Scharia an unseren Unis“ spricht, extrapoliert aus wenigen belegten Fällen und mehreren bislang unbestätigten Berichten. Um seriös zu bleiben, sollten wir zwischen harten Fakten und noch unbestätigten Behauptungen unterscheiden – und genau dort ansetzen, wo Beweise fehlen.