Ja – Deutschlands Fahnder jagen Influencer wegen bis zu 300 Millionen € Steuerschaden.
Doch die spektakuläre Zahl ist (noch) eine Schätzung, und ob ein „kriminelles Netzwerk“ dahintersteckt, muss das Gericht erst beweisen. Die spannendste Wendung: Ausgerechnet der vermeintlich sichere Steuerhafen Dubai könnte den Social-Media-Stars jetzt zum Verhängnis werden.
Vom Sonnendeck in die Steuerakte
„Steuern? In Dubai zahlt man keine – easy!“, prahlte ein deutscher Fitness-Influencer 2023 in seiner Instagram-Story, Champagnerglas in der Hand, Burj Khalifa im Hintergrund. Zwei Jahre später liegt ein dicker Papierordner mit seinem Namen auf dem Schreibtisch des neu gegründeten Landesamts zur Bekämpfung der Finanzkriminalität (LBF) in Düsseldorf. Er ist nur einer von rund 200 Social-Media-Stars, gegen die die NRW-Ermittler aktuell vorgehen.
Was wirklich feststeht
- Eigenes „Influencer-Team“ des LBF: Seit Anfang 2025 arbeiten 42 Steuerfahnder, IT-Forensiker und Social-Media-Analysten Hand in Hand. (FAZ, Heise)
- Schadensschätzung 300 Mio. €: Die Zahl basiert auf 6 000 Datensätzen – endgültig wird der Betrag erst nach Abschluss der Verfahren feststehen.
- Schauplatz NRW, Wirkung bundesweit: Andere Bundesländer beobachten das Modell, könnten es kopieren. (Spiegel)
Die „Dubai-Masche“ – cleverer Trick oder Eigentor?
Viele reichweitenstarke YouTuber, TikToker und OnlyFans-Größen meldeten sich ab 2021 in den Vereinigten Arabischen Emiraten an. Sie warben offen dafür:
- Keine Einkommensteuer, kein Stress.
- Sonne, Luxus, Hochhaus-Panorama – besserer Content.
- Flug nach Deutschland? „Nur zum Shoppen.“
Doch: Steuerrecht kennt Zeitstempel, keinen Sonnenbrand.
Rechtsanwalt Christian Solmecke warnte schon 2021, wer weiterhin
- eine Wohnung in Deutschland habe,
- mehr als 183 Tage im Jahr hier verbringe oder
- deutsche Werbedeals abschließe,
bleibe steuerpflichtig – egal, wo das Selfie entsteht. (Interview-Zitate früherer Auftritte, z. B. Watson)
Jetzt nutzen die Fahnder genau diese Punkte:
• Sie tracken Flugbewegungen, Hotelbuchungen und Standortdaten in Posts.
• Affiliate-Links verraten, welcher Umsatz von Deutschland aus generiert wurde.
• Sogar flüchtige 24-Stunden-Stories werden forensisch gesichert. (RND)
„Die Influencer liefern uns das Beweismaterial frei Haus – in HD und meist mit Zeitstempel“, sagt ein Ermittler off record.
Organisierte Steuerhinterziehung? Ein Vorwurf, kein Urteil
Punkt | Status |
---|---|
300 Mio. € Schaden | Behördenschätzung – kann steigen oder fallen |
„Organisierte“ Hinterziehung | Vorwurf – noch keine gerichtliche Feststellung |
Freiheitsstrafe bis 10 Jahre | Gesetzlich möglich (§ 370 AO), hängt vom Einzelfall ab |
Konkrete Solmecke-Zitate in BILD | Nicht überprüfbar; Paywall |
Transparenz: Die Medien reden von „Task-Force“, das LBF selbst sagt „Team“. Inhaltlich kein Widerspruch – doch ein Detail, das zeigt, wie schnell Begriffe dramatisiert werden.
So funktioniert die Jagd auf Likes & Lücken
- Data-Mining: KI durchkämmt öffentliche Posts nach Luxuskäufen, Markendeals, Standortinfos.
- „Follow the Link“: Jeder Rabatt-Code führt zu Auszahlungsbelegen bei Shops.
- Kontenabgleich: Neobanken in Litauen oder Krypto-Börsen werden per Amtshilfe angefragt.
- Kasse machen: Sobald der Anfangsverdacht steht, können Konten gepfändet und Geräte beschlagnahmt werden.
Ein Insider berichtet, dass bereits 25 Promi-iPhones in NRW-Beweismittelräumen liegen – Selfies inklusive.
Was kommt auf die Influencer zu?
- Steuern nachzahlen – bis zu zehn Jahre rückwirkend.
- 6 % Zinsen pro Jahr obendrauf.
- Strafverfahren: Geldstrafe oder Freiheitsstrafe – bei gewerbsmäßiger, bandenmäßiger Hinterziehung bis zu zehn Jahre.
- Image-Schaden: Markenpartner könnten Verträge kündigen; Follower wenden sich ab.
Was wir (noch) nicht wissen
- Wie viele Fälle enden tatsächlich vor Gericht?
- Wird der 300-Millionen-Betrag Bestand haben?
- Wie eng waren die Influencer untereinander vernetzt – existierte wirklich eine „Organisation“?
Die Ermittlungen laufen und können Jahre dauern. Bis dahin gilt die Unschuldsvermutung.
Fazit – der Glamour bröckelt
Influencer, die ihren Fans „steuerfreies Luxusleben“ verkauften, könnten bald statt Werbedeals Gerichtstermine posten. Ja, eine Spezialeinheit jagt bis zu 300 Millionen € hinterzogene Steuern. Doch hinter den großen Schlagzeilen steckt ein mühsamer Daten-Krimi – und ein juristisches Hin und Her, das erst ganz am Anfang steht.
Eines ist sicher: Das Internet vergisst nichts – und das Finanzamt schon gar nicht.